Die automobile Welt steht vor einer Zeitenwende: Knappere Erdölmengen, wirtschaftlich aufblühende Schwellenländer und höchste Anforderungen an den Umweltschutz stellen die Automobilhersteller auf dem Weg in die Zukunft vor gigantische Herausforderungen. Fakt ist: Kinder, die heute zur Welt kommen, werden das Erdölzeitalter als Erwachsene nur noch streifen. Doch es gibt heute ein Problem mit dieser Welt von morgen: Gewagte Versprechungen suggerieren, dass künftige Technologien – besonders Elektroautos – schon heute serienreif für den Massenmarkt sind. Das ist falsch. Denn der Weg zum emissionsfreien Auto ist noch lang. Der Volkswagen Konzern verfolgt deshalb eine langfristig ausgelegte Antriebs- und Kraftstoffstrategie, an deren Ende allerdings die Neuerfindung des Automobils stehen wird.
„Das Elektroauto“, so Prof. Dr. Martin Winterkorn, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, „wird die Zukunft der individuellen Mobilität in der Tat entscheidend prägen. Dazu bekennen wir uns bei Volkswagen. Und diese Entwicklung treiben wir gezielt voran. Mit aller Deutlichkeit aber muss sich heute jeder klarmachen, dass der Weg zum Elektroauto kein Sprint, sondern ein Marathon ist. Deshalb reicht der Elektromotor keineswegs allein. Bis 2020 rechnen wir mit einem globalen Marktanteil der reinen Elektroautos von 1,5 Prozent. Bleiben 98,5 Prozent. Auf dem Niveau des Jahres 2008 sind das rund 55 Millionen weltweit verkaufte Autos pro Jahr, die noch nicht an der Steckdose betankt werden. Erholt sich der Markt, reden wir von knapp 70 Millionen Autos. Ohne Hightech-Benzin- und Dieselmotoren wie die TDI und TSI ist deshalb der Weg in die Zukunft nicht machbar.“
Dr. Ulrich Hackenberg, Volkswagen Markenvorstand des Bereichs Entwicklung, unterstreicht: „Über die nächsten zwei Autogenerationen, wir reden also über mindestens 15 bis 20 Jahre, werden die Verbrennungsmotoren definitiv dominant bleiben. Umso wichtiger ist es heute, ein klares Szenario der Zukunft zu liefern. Denn die Autofahrer wollen wissen, welche Technologien morgen noch aktuell sind und welche es übermorgen sein werden.“ Der Volkswagen Konzern hat dieses Szenario als Update der Zukunft in seiner Antriebs- und Kraftstoffstrategie 2.0 festgeschrieben. Ein Zeitstrahl der Technologien, auf dem sich das Automobil Kilometer für Kilometer der Zukunft nähert.
Erneut Prof. Dr. Martin Winterkorn: „Der elementare Fixpunkt auf diesem Zeitstrahl ist das Elektroauto der Großserie; produziert in Absatzdimensionen wie heute ein Polo. Doch solch ein Elektroauto muss für weite Kreise bezahlbar und kompromisslos alltagstauglich sein, um durchschlagend erfolgreich zu sein. Erst dann, mit hohen Stückzahlen, möglichst auf allen Kontinenten, kann wirklich vom Beginn des automobilen Elektrozeitalters und einer spürbaren Umweltentlastung gesprochen werden. Das gilt allerdings nur, wenn wir es schaffen, die Energie für den Elektromotor regenerativ, also aus erneuerbaren Quellen, zu erzeugen.“ Und auch das ist ein elementarer Streckenabschnitt des Marathons, den das Zeitszenario der Antriebs- und Kraftstoffstrategie 2.0. beschreibt:
Die Gegenwart
In der gegenwärtigen Phase setzt die Antriebs- und Kraftstoffstrategie der Volkswagen AG den klaren Schwerpunkt, die vorhandenen fossilen Energien so effizient wie möglich zu nutzen. Nur so können aktuell weltweit die Ressourcen geschont und die Umwelt entlastet werden. Es ist eine Ära, in der Benzin-, Diesel- und Erdgasmotoren durch intelligentes Downsizing immer sparsamer und sauberer, parallel aber nochmals dynamischer arbeiten. Die Volkswagen AG prägt diese Phase mit den sparsamsten Autos der Welt. Jüngste Beispiele: die neuen BlueMotion-Modelle der Baureihen Polo, Golf und Passat.
Generell gilt: Alle Volumenmarken des Volkswagen Konzerns nutzen die effizientesten und dabei erschwinglichen Antriebssysteme der Gegenwart, zu denen mit dem Doppelkupplungsgetriebe (DSG) auch die mordernste Automatik unserer Zeit gehört. Ein Technologietransfer findet zudem auch zwischen den Volumen- und Exklusivmarken des Konzerns statt. Beispiel Bugatti: Mit dem Veyron 16.4 führte Bugatti 2005 das erste in der Serie eingesetzte 7-Gang-DSG der Welt ein. Doch ganz gleich ob Ausnahmesportwagen oder Großserienfahrzeug: Nach dem heutigen Stand der Dinge ist im Hinblick auf die Antriebssysteme der Gegenwart eines klar: Hightech-Antriebstechnologien wie TDI, TSI und DSG werden auch im Jahr 2025 noch dominant sein.
Fest steht auch, dass es ein Nebeneinander der Antriebssysteme geben wird. Und mehr denn je werden Autos auf den individuellen Einsatzzweck zugeschnitten sein. Im Jahr 2010 wird der Konzern vor diesem Hintergrund die ersten zwei Hybrid-Fahrzeuge anbieten. Den Start machen mit dem Porsche Cayenne und Volkswagen Touareg bewusst größere Modelle. Hintergrund: Vorerst nur hier stehen die hohen Kosten für den Hybridantrieb einer entsprechenden Verbrauchsreduzierung (beim Cayenne und Touareg bis zu 25 Prozent) gegenüber, und nur hier werden diese Kosten auch von den Kunden akzeptiert. Dr. Hackenberg: „Wir erforschen und entwickeln alle relevanten Technologien, setzen sie aber erst ein, wenn es Sinn macht. Deshalb: Volkswagen hat extrem effiziente Benzin-, Diesel- und Erdgasmotoren, mit dem Modelle wie der neue Polo, Golf und Passat BlueMotion oder der Passat TSI EcoFuel vergleichbaren Hybridmodellen überlegen sind.“
Gleichwohl wird Volkswagen 2010 die zweite Generation des Golf TwinDrive – ein Plug-In-Hybrid – in einem Flottenversuch auf die Straßen Berlins bringen. Der bis zu 130 kW starke Golf TwinDrive besitzt ein in dieser Form erstmals realisiertes Energiemanagement. Seine Batterien können, anders als bei heutigen Hybrid-Versionen, an der Steckdose aufgeladen werden. Vorteil: Statt der momentan machbaren drei Kilometer im Zero-Emission-Betrieb, schafft der Golf TwinDrive rund 50 Kilometer per Elektromotor. Sind die Lithium-Ionen-Batterien leer, übernimmt ein extrem sparsamer TDI. Über ein cleveres Energiemanagement kann der Fahrer zudem programmieren, dass etwa auf einer Fahrt von Hamburg nach Berlin die reinen City-Kilometer emissionsfrei per Elektromotor gefahren werden sollen. „Ein Serieneinsatz dieser Technologie in der aktuellen Golf-Generation wird aufgrund der noch zu hohen Batteriepreise nicht erfolgen,“ so das klare Statement von Dr. Ulrich Hackenberg zum Forschungsfahrzeug Golf TwinDrive.
Die unmittelbare Zukunft
Im Jahr 2011 wird Volkswagen das erste Modell der New Small Family (Up!) auf den Markt bringen – ein Cityspezialist mit verschiedensten Derivaten unterhalb der Polo-Klasse. Mit dieser Baureihe wird ein völlig neues Aggregate-Programm debütieren. Ziel: Eine untere CO2-Wert-Grenze von 80 g/km. Dank des modularen Querbaukastens werden diese Motoren bis hinauf zur Golf-Klasse kompatibel sein. Das technische Grundlayout der New Small Family wird zudem auch das Modellprogramm anderer Konzernmarken nach unten hin abrunden.
Mit dem E-Up! präsentierte Volkswagen auf der diesjährigen IAA die Studie eines rein elektrisch betriebenen Cityspezialisten. Das Zero-Emission-Auto basiert auf Modulen der New Small Family, ist mit einer Länge von 3,2 Metern aber nochmals kompakter. Es ist geplant, 2013 ein ähnlich aufgebautes Derivat der New Small Family in einer Kleinserie auf den Markt zu bringen. Die Frage – weshalb Kleinserie? – ist schnell beantwortet: Aktuell liegen die Preise für einen Batteriesatz, wie er im E-Up! verwendet wird, zwischen 8.000 und 12.000 Euro.
Ebenfalls noch 2013 könnte Volkswagen eine Kleinserie des 1-Liter-Autos mit einer Karosserie aus carbonfaserverstärktem Kunststoff auf den Markt bringen. Das Fahrzeug soll von einem Hybrid-System aus Zweizylinder-TDI und E-Motor angetrieben werden.
Ein weiterer wesentlicher Schritt auf dem Weg in die Zukunft ist die Kraftstoffgewinnung aus erneuerbaren Rohstoffen. SunFuel aus Biomasse und Zellulose-Ethanol gehören dabei zu den Biokraftstoffen der zweiten Generation. Diese Kraftstoffe stehen nicht im Wettbewerb zur Nahrungskette. Da SunFuel – wie es der Volkswagen Kooperationspartner Shell erprobt – aus regenerativen Rohstoffen entsteht, wird bei der Verbrennung nur so viel CO2 freigesetzt, wie der Atmosphäre zuvor durch das Wachstum der Energie liefernden Pflanzenreste entzogen wurde.
SunFuel ist auch der Zündstoff für eine weitere Stufe der Antriebs- und Kraftstoffstrategie: dem Einsatz völlig neuer Verbrennungsmotoren, die mit regenerativen Kraftstoffen betrieben werden und weltweit ohne größere Anpassungen der Infrastruktur eingesetzt werden können. Hintergrund: Durch die Nutzung von Homogenisierungseffekten stellt das hochreine SunFuel die Weichen für die intensive Weiterentwicklung des Diesel-Brennverfahrens hin zum Combined Combustion System (CCS). Synthetische Kraftstoffe bereiten somit einer kommenden Motorengeneration den Weg. CCS wird den niedrigen Kraftstoffverbrauch eines Diesels mit der Abgasqualität eines Benziners kombinieren.
Die langfristige Zukunft
Mit welcher Innovationskraft Volkswagen neue Technologien entwickelt, zeigt ein Blick auf die Brennstoffzelle: Die Volkswagen Forschung hat eine in dieser Form weltweit einzigartige Hochtemperatur-Wasserstoff-Brennstoffzelle entwickelt. Doch Wasserstoff als Antriebsenergie für einen E-Motor macht nur Sinn, wenn die Primärenergie zur Erzeugung des Wasserstoffs regenerativ gewonnen wird. Obwohl Volkswagen eine ganze Flotte von Versuchsträgern in Europa, China und den USA erprobt, ist der angestrebte Einsatztermin für Serienmodelle mit Brennstoffzelle – das Jahr 2020 – nicht safe. Denn zu viele Fragen im Hinblick auf die Erzeugung und den Transport von Wasserstoff sind ungelöst.
Sehr wahrscheinlich wird ab 2020 dagegen eine andere Fahrzeuggattung ihren Durchbruch erleben: das Elektroauto. Quasi das Finale der Antriebs- und Kraftstoffstrategie und vorerst Endpunkt auf dem Zeitstrahl in die Zukunft. Bis dahin müssen allerdings noch mächtig viele Hürden aus dem Weg geräumt werden, damit die Volumen nach 2020 über die bislang prognostizierten Weltmarktanteile von 1,5 Prozent steigen.
Die höchste Hürde ist dabei der Preis. Eine Umfrage der Unternehmensberatung Roland Berger besagt, dass Autofahrer bereit sind, maximal 2.000 zusätzliche Euro für den Elektroantrieb zu investieren. Die Batteriekosten müssen deshalb im nächsten Jahrzehnt um das fünf- bis sechsfache schrumpfen. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die Batterien die Langlebigkeit heutiger Benzin- und Dieselmotoren erreichen. Bislang ist davon nicht auszugehen. Ein weiterer Schwachpunkt ist die Tank- oder besser Ladedauer. Wer heute eine Minute lang Strom in eine Batterie lädt, kommt damit genau einen Kilometer weit. Wer in der gleichen Zeit einen Polo BlueMotion mit Diesel betankt, erreicht damit eine Distanz von locker 1.000 Kilometern. Selbst Schnell-Ladezyklen sind keine abschließende Lösung, da sie die Lebensdauer der Batterien stark einschränken.
Ein weiteres Handicap sind die Reichweiten. Mit 100 bis 150 Kilometern sind E-Autos auf die City respektive den privaten Nutzer fixiert. Ein langfristig notwendiger Sprung auf zumindest 200 bis 400 Kilometern würde das Einsatzspektrum signifikant vergrößern, weil dann auch gewerblich genutzte Fahrzeuge wie Taxis oder Kurierdienste auf Elektroautos umsteigen könnten. Die Volkswagen AG arbeitet mit den Systempartnern Sanyo, Toshiba (beide Japan) und BYD (China) an entsprechenden Batterielösungen.
Weitere Erfolgsfaktoren lassen sich dagegen von Automobilherstellern und Zulieferern kaum oder gar nicht beeinflussen. Beispiel Emissionen: Ein Elektroauto ist nur dann emissonsfrei, wenn die geladene Energie regenerativ respektive eben ohne Emissionen erzeugt wurde. Überwiegend wird Strom aber aus Kohle- und Kernkraftwerken gewonnen. Die Vor- und Nachteile dieser Kraftwerke sind bekannt. Regenerativ werden – zumindest in Deutschland – aktuell 13 Prozent des Stroms per Wind gewonnen; bis 2030 sollen es 30 Prozent sein. Dieser Wert muss parallel via Solar- und Wasserenergie erhöht werden. Idealerweise überall auf der Welt. Nicht jedes Land wird über diese Hürde springen.
Am einfachsten zu realisieren ist eine flächendeckende Infrastruktur der Stromtankstellen und eines leistungsfähigen, intelligent gesteuerten Stromnetzes. Gleiches gilt für einen auch hier wieder möglichst weltweit einheitlichen Standard der Steckverbindungen zwischen Auto und Tankstelle. An dieser Stelle kommt der Weg in die Zukunft beim Alltäglichen an. Und das muss er auch. Besonders in Deutschland. Denn dort sollen ab 2020 eine Million Elektrofahrzeuge über die Straßen rollen – so beschlossen von der Bundesregierung im August 2009 und manifestiert im „Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität“.