Auf den Spuren des berühmten Malers. Hat er seine Handschrift auch auf einem Wolfsburger hinterlassen?
Aus POLO Intern 21/97 vom November 1997
[slideshow]
Die Geschichte des „Polo Picasso” beginnt, wie unzählige andere: Bereits seit frühesten Kindertagen war für Sven Kronenberg aus Stommeln klar, daß sein Auto, das er einmal fahren möchte, sich von der Serie deutlich unterscheiden sollte. Selbstredend, daß seine ersten Worte „Da, Auto!” waren.
Doch bis zur Verwirklichung seines Wunsches vergingen noch etliche Jahre, ein Ford Taunus, ein „Lieferwagen-Polo” sowie unzählige Ferienjobs. Im Oktober 1992 wurden schließlich – eher unwissentlich – die ersten Weichen gestellt und ein beim benachbarten VAG-Händler weilendes Polo IIF Coupé im gebrauchten und zugleich Originalzustand erworben. Obgleich diesem ursprünglich nur der Status eines Übergangswagens angedacht war, entschied sich Sven ein halbes Jahr später, den auf den Namen „Picasso” zugelassenen kleinen Wolfsburger als Basis für ein nicht ganz alltägliches Fahrzeug zu verwenden.
Zunächst wurden dem Nesthäkchen der VW-Familie durch H+R-Federn und Koni-Stoßdämpfern einige Zentimeter seiner Bodenfreiheit genommen. Dazu gesellten sich 13-Zoll Revolution-Felgen mit dem Titel „Modern-Line”, deren Besohlung Pirelli beisteuerte. Gelenkt und geschaltet wird seither mit Zugriff auf´s Leder von „raid”. Im Gegensatz zum Lenkrad brauchten die Räder jedoch mehr Platz, so daß die Radläufe ein wenig an Veränderung erfuhren. Mit der von Sven auf dem Polo-Treffen in Karlsruhe gewonnenen Erkenntnis, im Vergleich zu anderen noch ein völlig normales Auto zu fahren, begann die Länge des Wunschzettels angestrebter Umbauten gänzlich andere Dimensionen anzunehmen. In der Folgezeit wurden sämtliche Leuchten gegen die vom G40 ausgetauscht sowie Schroth-Gurte und eine Gruppe-A-Auspuffanlage mit Remus-Endtopf verbaut. Der Kühlergrill verlor demgegenüber in Eigenarbeit sein Familien-Emblem, die Heckklappe ihr Schloß und der Polo schließlich alle unnötigen Plastikteile. An den folgenden Pfingstferien trat auch die Rücksitzbank nebst Hutablage den Weg in den Ruhestand an. Im ausgebauten und mit Akkustikteppich bezogenen Gepäckteil treten stattdessen eine Alu-Domstrebe und die Musikanlage hervor.
Da im Picasso ohnehin nicht geraucht wird, konnte der vom Aschenbecher und Zigarettenanzünder beanspruchte Platz in Form einer Schalttafel und eines exakten Modellnachbaus des Picassos sinnvoller genutzt werden. Allein der Umbau des Modells und der aus Pappe angefertigten, es beherbergenden „Garage”, hat schon über 50 Stunden in Anspruch genommen. Kein Wunder, muß doch fast jede Veränderung am Original auch am Modell vorgenommen werden.
Weitere Kleinigkeiten, wie das Verbannen störender Farben am Armaturenbrett, folgten. Wie bei fast allen Arbeiten hieß auch in punkto Türverkleidungen die Lösung einmal mehr Eigeninitiative, da die befragten Autosattler diese nicht für einen akzeptablen Preis oben mit schwarzem und unten mit grauem Stoff beziehen wollten. Nicht nur für das Auge, sondern insbesondere für die Sicherheit sorgen Nothammer, Feuerlöscher sowie Sparco Vollschalensitze. Ordnungsliebende Menschen strahlen erst richtig beim Öffnen der Handschuhfachklappe. Eine angefertigte Abtrennung sorgt für Übersicht und beherbergt Dinge wie Radiobedienteil oder Ohrstöpsel.
Mit einem geairbrushten Ferrari-Pferd auf dem Hupenknopf und einer Menge Lack auf diversen Anbauteilen insbesondere im Motorraum ging es in die 95´er Saison. Neben vielen Bekanntschaften konnten weitere Anregungen gesammelt und auch die ersten Pokale auf den Polo- und VW-Treffen errungen werden.
Die im folgenden Winter entstandene Idee der Montage dreier Zusatzinstrumente in einem extra anzufertigenden Aufnahmerahmen war zwar schnell geboren, deren Umsetzung kostete jedoch derart viel Zeit und Nerven, so daß ein Werkzeugkasten nebst poliertem Inhalt sowie ein polierter Verbandskasten während der Schrauber-Pausen eher zufällig entstand. Geplant waren hingegen die Formel-1-Spiegel, die spiegelglatten Stoßstangen und die Umarbeitung des Grillspoilers zur Schaffung eines „reservierten” Blickes. Diesen weisen auch die „Airbrush-Picassos” auf Tankdeckel und Batterieabdeckung im Motorraum auf. In letzteren wanderte zudem Nützliches wie eine stärkere Batterie und unnützliche Dinge wie polierte Batterieklemmen und Haubenlifts sowie verchromte Abdeckklappen diverser Art. Darüberhinaus sollen alle verchromten und polierten Anbauteile im Motorraum dafür Sorge tragen, daß der Betrachter vom Ventildeckel bis zum Abschaltventilhalter genug Möglichkeiten hat, im spiegelglatten Glanz die Lage seiner Frisur zu kontrollieren.
Zuletzt mußte der Wagen jedoch auf neue Veränderungen warten, da die Einrichtung einer Wohnung sowie die ausstehenden Prüfungsleistungen im Rahmen des Studiums dem Besitzer wichtiger waren und Priorität genossen. Erst Ende April konnte die Vorbereitung auf die 97´er Saison beginnen. Neben den bis dato noch im Originalzustand verbliebenen Motorteilen erreichten auch selbst angefertigte Bleche den Galvaniseur, wie beispielsweise das für den Wasserkasten oder dreiteilige Frontabdeckung. Getriebe und Felgensterne begnügen sich hingegen mit einer Lackur. Schließlich galt es, den bereits ein Jahr zuvor georderten Alu-Bügel, auf Hochglanz zu polieren. Über dreißig Stunden Arbeit lassen sich jedoch recht gut bewältigen, wenn „die Freundin währenddessen daneben nach dem Motto „geteilter Bügel ist halbes Bügeln” sinnigerweise die Wäsche bügelt” (O-Ton).
Nicht zuletzt die unzähligen, zum größten Teil hier nicht erwähnten kleinen und aufwendigen Details der mittlerweile über 250 Veränderungen, führten zwar bei vielen Schönheitswahlen zu Pokalen, erscheinen jedoch für einen Wirtschaftswissenschaftler eher irrational, so daß von Zeit zu Zeit doch mal die Frage nach dem Nutzen gestellt wird. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, daß der Picasso auch im Sommer mehr Zeit in der Garage als auf der Straße verbringt.