Das Teufelswerk: Rund 260 PS dank Turbolader

Aus POLO Intern 22/99 vom Januar 1998


Und wieder ein Spinner … so dachte ich, als ich letztes Jahr in Belgien zum ersten Mal diesen Polo sah. Ich gebe zu, das erste Mal bin ich noch kopfschüttelnd an diesem Polo vorbeigelaufen. Doch auf dem Rückweg, die Motorhaube stand diesmal offen, wagte ich mich ein wenig näher an das Fahrzeug heran. Ein Turbo-Polo? Eine 1,8 Liter 16V-Maschine vom Golf II in einen Polo II implantiert? Mein Kopfschütteln wurde immer stärker: „Wem gehört dieser Polo?”
Dieser Polo gehört Michael Behrens aus Bockhorn. Basis war ein Polo II Coupé GT, Baujahr 1983, mit 75 PS. Während einer zweijährigen Restauration bis 1996 wurden schon sämtliche Aluteile hochglanzpoliert, der Unterboden verzinkt, ein Lederhimmel eingezogen, das 2F-Armaturenbrett mit G40-Armaturen angepaßt, eine Grüncolor-Verglasung eingesetzt und die Karosse mit insgesamt 24 Kilogramm Lack in „Superschwarz” getaucht.
Zuvor wurden noch die Radläufe vorne je um 55 Millimeter im Blech gezogen, an der Hinterachse für jede Seite aus Tafelblech angefertigte Radläufe eingepaßt, die je 70 Millimeter mehr Spielraum erlauben. So konnten an der Vorderachse dreiteilige Revolution Classic-Line-Felgen in der Dimension 7,5 x 13 ET14, bereift mit 175/50/13 Dunlops, an der Hinterachse unter Verwendung von 20 Millimeter Distanzscheiben die Größe 9×13 ET 0 mit 225/45/13-Dunlop-Bereifung einziehen.

Nach der Restauration wurde die originale 75PS-Maschine mit 40er Weber aufgerüstet. Die Ein- und Auslaßkanäle wurden erweitert und poliert, doppelte Ventilfedern verbaut, eine 296-Grad-Nockenwelle eingesetzt. In Verbindung mit einem 4+E-Getriebe hatte Michaels Polo bereits rund 115 Pferdestärken.
Doch Michael hatte seinen Clubkollegen versprochen, etwas völlig Neues zu konstruieren. Nach knapp einem Jahr war es soweit, die zweite Bauphase war beendet und was Michael in dieser Zeit auf die Beine gestellt hatte, ist alles andere als alltäglich. Ein Salzmann-Hilfsrahmen trägt und stabilisiert ein 1,8 Liter Golf 16V-Aggregat, das unter Verwendung eines Garret-Turboladers Dampf gemacht wird. Eine vom Corrado entliehene Digifant-Einspritzanlage sorgt in Verbindung mit der Corrado-Benzinpumpe für genügend Kraftstoff. Aus dem Griff in das Audi-Teilelager stammen der Ladeluftkühler des Audi 200 Turbo sowie die Einspritzdüsen. Der weitere Griff in das Corrado-Teilelager war noch tiefer: Ein Steuergerät, das speziell auf dieses Fahrzeug mit einem HGP-Chip abgestimmt wurde, das G60-Getriebe mit hydraulischer Kupplung, eine Seilzugschaltung und Corrado-Antriebswellen konnte Michael verbauen.
Das Ergebnis? Nun rund 260 PS bei 0,8 bar Ladedruck. Theoretische Höchstgeschwindigkeit? 280 Stundenkilometer! Nur zur Schonung des Motors wurde die Verdichtung auf 8:1 zurückgesetzt …
Für die Achsen griff Michael auf den Golf zurück. So wanderten von einem Golf I die Radnarben und Gelenkköpfe sowie die vom Golf II 16V stammende Bremsanlage an seinen Polo. Für mehr Bodenhaftung sorgen nutenverstellbare gelbe Konis mit dazugehörenden Federn und einstellbaren Salzmann-Domlagern.
Doch auch die Karosse mußte weitere Änderungen über sich ergehen lassen: Die Batterie wurde im Kofferraum verstaut, die Reserveradwanne zugunsten eines Mittelauspuffes geopfert. Das Abgas konnte ab sofort durch eine Supersprint Gruppe A-Auspuffanlage entweichen; der Golf II 16V G-Kat wurde mitverbaut. Zur Untersützung der Motorbeatmung wurden Haubenschlitze mit einem Plasmabrenner eingebrannt. Weitere optische Features: Elektrisches Heckklappenschloß, verkürzte Nummernschildplatten, Einarmwischer und modifizierte KPU-Stoßstangen.

Ein Spinner? Nun, was Michael in diesen Polo verbaute, hat Hand und Fuß. Rund 55 000 Mark an reinen Materialkosten sind sicherlich nicht unerheblich, doch wer wie ich einmal die Gelegenheit haben durfte, auf dem Sitz während der Fahrt Platz zu nehmen, der weiß, daß in diesem Polo wirklicher Spaß aufkommt. Das vergangene Jahr hat Michael nur als Motor-Testjahr angesehen. So sind für diese Saison schon wieder umfangreiche Änderungen geplant. Neben 14-Zoll-Räder steht der Einbau von Salzmann-Zugstreben anstatt des bisherigen Stabis an, denn das letzte Jahr zeigte, daß die gewaltige Motorkraft nur schwer auf die Straße übertragbar ist. Dies zeigt auch die notwendige Verlängerung des 5. Ganges. Denn auf der Heimfahrt vom letzten Polo-Treffen vergangenen Jahres verabschiedete sich dieser. Bei Tempo 250. MB#